Vom Netzkater zum Sophienhof

1943 lief der Produktion der V2-Raketen an

Ab dem 8.4.1945 wurde Ilfeld in Verteidigungsbereitschaft versetzt

Geschichtlich ist zu berichten, dass ab dem 8.4.1945 Ilfeld und Umgebung in Verteidigungsbereitschaft versetzt wurde.. und Oberstleutnant Großkreuz verlegte seinen Gefechtsstand in das Hotel Netzkater. Der Keller des Hotels diente von nun an als Verbandsplatz.

Hotelbesitzer Walter Liesegang (10.10.1899 – 11.11.1997) und Familie wurden evakuiert und im Hufhaus untergebracht. Am 13.4.1945 setzte der Beschuss aus Granatwerfern ein, der aber nur an den Bahnanlagen und am Bahnhofsgebäude in Netzkater Schäden anrichtete. Ein Werfergeschoss schlug im Gleis zwischen der Papierfabrik und dem Ottostollen ein und riss die Schienen auf. Das große Waldgebiet mit den Häusern in Netzkater, Rotheshütte, Sophienhof, Eisfelder Talmühle, Tiefenbachmühle, Birkenmoor, Christianenhaus und Hufhaus hatten die Amerikaner beim Vorstoß auf Benneckenstein, Breitenstein, Stiege und Hasselfeld abgeriegelt.

Der Oberstleutnant ergab sich schließlich den Amerikanern. In dem eingeschlossenen Waldgebiet sind, soweit bekannt, noch 3 deutsche Soldaten gefallen. In Netzkater fiel ein Flakhelfer aus Danzig, der sich vermutlich bei dem Granatwerferabschuss zu weit aus dem Unterstand herausgewagt hatte.

Sein Grab befindet sich am Rande der zum Hotel gehörenden Netzbergwiese und war mit einem Holzkreuz versehen. Dessen Vater, Angestellter der Deutschen Reichsbahn, der von Danzig nach Sachsen umgesiedelt war, hat dort wohl das Grab seines Sohnes besucht.

1943 lief der Produktion der V2-Raketen an

Als gegen Jahresende 1943 die Produktion der V2-Raketen angelaufen war, kam auch einige Male Professor Wernher von Braun ins Netzkater Hotel und nahm dort sein Quartier. Hermann Bauersfeld, der in den ersten Nachkriegsjahren Bürgermeister in Ilfeld war, arbeitete in den Jahren 1943 und 1944 für Hotelbesitzer Walter Liesegang als Kellner und erinnert sich:

„Als Kellner im Hotel habe ich die Direktoren des Mittelwerkes des öfteren bedienen müssen. Alwin Sawatzki *6.10.1909 in Danzig (ein mieser Charakter) und Georg Johannes Dipl. Ing. Rickhey (Generaldirektor der Mittelwerk GmbH) waren immer dabei. Die Sitzungen fanden immer im Kleinen Saal statt, der etwa 10×8 Meter maß. In diesem Saal stand ein großer runder Tisch und bei den Tagungen saß immer ein SS-Posten in einer Ecke und ein Posten stand vor der Tür. Ich kann mich noch gut erinnern, dass Werner von Braun und Sawatzki nur mit Guten Morgen, niemals aber mit „Heil Hitler“ gegrüßt haben. Als ich daraufhin auch einmal „Guten Morgen“ sagte, wurde ich Sawatzkis Fahrer, einem Mann aus Lemgo, angefahren! Dieser Sawatzki trug ständig ein Ritterkreuz mit Ordensband. Seine Frau die mit ihm im Hotel wohnte, war sehr eifersüchtig. Sicher hatte sie einen Grund dazu. Ich wurde einmal Augenzeuge folgender Szene: Frau Sawatzki kam dazu, als ihr Mann seine Sekretärin küsste. Sie gab ihrem Mann eine kräftige Ohrfeige und bemerkte dann, dass ich alles gesehen hatte und meinte zu mir: „Sie haben doch nichts gesehen? Hier sind 10 Mark, trinken Sie einen.. (Quelle: Ilfeld 1940-1950, Beiträge zu einem Jahrzehnt Heimatgeschichte, Autor Manfred Bornemann, Hamburg 1984)

Erklärung für den Besuch des Rakentenforschers Werner von Braun

Am 29. Februar 1944 wurde im Mittelwerk das 136. Gerät fertiggestellt. Im April blieb die Produktion trotz einer beträchtlichen Steigerung hinter den Erwartungen zurück. Dipl. Ing. Georg Johannes Rickhey, der am 13. April 1944 zum Generaldirektor ernannt worden war und nach seinem Amtsantritt die gesamte Raketenprominenz aus Heer und Ministerium zu einer Aussprache für den 6. Mai 1944 in sein Büro nach Ilfeld einlud, äußerte während dieser „kameradschaftlichen“ Aussprache: „Die im April fehlenden Geräte werden im Mai kommen“. Nach dem Vortrag von Alwin Sawatzki waren die aufgetretenen Schwierigkeiten auf die unzureichende Anlieferung von Geräteteilen, auf das Fehlen von Arbeitskräften (KZ-Häftlinge) und auf die Belastungen zurückzuführen, die sich durch die Hereinnahme des Nordwerkes in die Anlage ergeben hätten. (Bewiesen ist die Tatsache, dass Werner von Braun in einem Schreiben vom 12. November 1943 1350 Arbeitskräfte angefordert hatte) Die Genealogien zur Familie Werner von Braun können in der Datenbank nachgelesen werden und in der Ausgabe „Genealogie, Deutsche Zeitschrift für Familienkunde, Heft 12 15. Jahrgang, Dezember 1966 vom Degener Verlag“ gibt es weitere Ergänzungen zur Ahnenliste des Weltraum- und Raktenforschers.

Netzkater Hotel, © www.rambow.deAls Familie Liesegang in ihr Hotel zurückkehrte, gab es viele Schäden zu beseitigen, denn das schwere Geschütz vor dem Hotel war vor dem Eintreffen der Amerikaner gesprengt worden.

Viele Fensterscheiben waren zu Bruch gegangen und plündernde Soldaten und Zivilisten hatten sich die beweglichen Habe der Familie Liesegang (Geld, Vorräte, Kleidung, Wertgegenstände usw.) angeeignet.

Auch gab es Verletzungen zu verzeichnen durch den Krieg bedingt. So wurde Walter von den Russen durch Messerstiche verletzt und es grenzte an ein Wunder, dass er das Massaker so gut überwand.

1893 kaufte Emil Liesegang die Gaststätte und baute hier das elegante und komfortable Hotel. Es wurde mit der Eröffnung des Bahnstreckenabschnitts Ilfeld-Netzkater am 1. Mai 1899 eröffnet. Auch das Bahnhofsgebäude gehörte Emil Liesegang. Man kann eine Verdienste nicht besser schildern, als es nach seinem Tode im Ilfelder Kreisanzeiger geschah.

Zum Tode des Netzkater-Wirtes:

„Aus kleinen Anfängen hat er mit rastlosem Streben die alte „Einnahme“ in ein modernes Hotel verwandelt, das überall in gutem Ruf steht. Leider wurde sein Lebenswerk am 28. Januar 1919 durch ein großes Brandunglück vernichtet. Mutig fing er zum 2. Mal sein Werk an und wieder ist ein gutes Stück Arbeit geschafft. Der Verstorbene war übrigens literarisch hoch gebildet und konnte seine Gäste bestens unterhalten. Ein Mann dessen lauterer Charakter ihm viele Freunde gewonnen hat, ist nun nicht mehr“.

Das Grab in Sophienhof zeigte noch 1983 folgende Namen auf der Gedenktafel:

Rolf Schellmann, Stabsarzt d. R. * 5.11.1902, + 17.4.1945
Fritz Werner Tengelmann, * 6.9.1892, + 17.4.1945

Die gesprengte Netzbrücke war durch eine von den amerikanischen Pionieren gebaute Brücke aus Eisenträgern und Holzbohlen ersetzt worden. Vor den Trümmern der gesprengten steinernen Brücke hatte sich die Behre gestaut und einen Teil der Netzwiese unter Wasser gesetzt. Auch das Bahnhofsgebäude in Netzkater hatte bei dem Granatwerferfeuer mehrere Treffer abbekommen. (Quelle: Ilfeld 1940-1950, Manfred Bornemann, 1984, Beiträge zu einem Jahrzehnt Heimatgeschichte)

Einwohner von Sophienhof im Jahre 1935

pantel

Karl Gröning, Invalide – Henriette Hahn, Witwe – Reinhold Hahn, Waldarbeiter – Hans Halbritter, Lehrer – Hermann Henkel, Revierförster – Emil Hirschelmann, Waldarbeiter – Ernst I. Hirschelmann, Waldarbeiter – Ernst II. Hirschelmann, Gastwirt – Fritz Hirschelmann, Holzbauermeister – Hermann Hirschelmann, Invalide – Karl Hirschelmann, Waldarbeiter – Theodor I. Hirschelmann, Invalide – Theodor II. Hirschelmann, Waldarbeiter – Albert I. Hühne, Waldarbeiter – Albert II. Hühne, Waldarbeiter – August I. Hühne, Invalide – August II. Hühne, Waldarbeiter – Heinrich I. Hühne, Waldarbeiter – Heinrich II. Hühne, Waldarbeiter – Otto Hühne, Waldarbeiter – Walter Hühne, Waldarbeiter – Karl Jehnke, Waldarbeiter – Luise Knöppel, Witwe – Karl Lehmann, Waldarbeiter und Albert Liesegang, Waldarbeiter

Die Liesegang in Netzkater

Eltern: Emil Christian Johann Liesegang (1858-1929) – Großeltern: Wilhelm Eduard Liesegang (1810-1880) Ehefrau Johanna Hiller (1818-1895) – Urgroßeltern: Johann Gottfried Liesegang (1773-1845) und Gattin Henriette Friederike Marie Böttcher (1782-1857)

Wilhelm Eduard Liesegang hatte noch 10 Geschwister. Einer von ihnen hieß Friedrich August Liesegang *18.9.1800 in Rüdigsdorf und ist der Urahn meiner Großmutter Melitta *7.9.1911 in Appenrode. (Datenbank)

17789AlbertLiesegang

Unweit vom Netzkater liegt Sophienhof (auch einer der Orte aus denen unsere Liesegangs stammen)  im sogenannten Hohnsteiner Forst, der einst den Grafen zu Stolberg gehörte im Nordwesten Thüringens, nur wenige Kilometer zu den Landesgrenzen von Sachsen-Anhalt und Niedersachsen entfernt. Der Ort ist nur über eine Nebenstraße von Rothesütte oder von der Bundesstraße 81 zwischen Hasselfelde und Ilfeld zu erreichen. Sophienhof besitzt außerdem einen Haltepunkt der Harzquerbahn, der sich abseits vom Ort, westlich im Wald befindet.

Auf dem sogenannten Schmerplatze war schon vor dem 30jährigen Krieg ein Viehhof eingerichtet worden. Daneben wohnten der Viehhirte und ein Forstbeamter. Der unschöne Name wurde 1712 geändert und zwar in Sophienhof. Der Ort war wie auch die Försterei Hufhaus nach Rotheshütte eingepfarrt. Der Ort trägt den Namen der Ehefrau des Grafen Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode, Sophie Charlotte. (Quelle: Heimatbüchlein der Grafschaft Hohnstein im Kreise Ilfeld, von Wilhelm Vahlbruch 1927)

Übrigens: Der Name Netzkater stammt nicht von dem im Netz gefangenen Wildkater, sondern von einer Kate, in der man Netze aufbewahrte, die man zum Fischfang am Klosterteich brauchte. Die sumpfige Netzwiese lässt unschwer die Stelle erkennen, wo einst die Ilfelder Mönche Fische züchteten.

Literatur:

NDB Bd. 14, Berlin 1985 Seite 538-540

Informationen Ilfeld, herausgegeben von der Gemeinde Ilfeld, 10 Jahrgang, Nr. 1 April 2009,

Festschrift zum Harzfest in Ilfeld anläßlich des 4. Harzfestes 1996

Wernher von Braun: Die mörderischen Wurzeln von Apollo Elf