Stettins außerordentlich günstige Lage am Wasser veranlasste seine Bewohner schon in ältesten Zeiten Schiffe zu bauen, mit denen sie die zahlreichen Binnengewässer, aber auch die See befahren konnten. Dass hier die älteste Stätte des Stettiner Schiffsbaues war, stand noch im Bewusstsein am Ende des 18. Jahrhunderts fest.
Am 15. März 1650 (nach dem Bürgerbuch) erwirbt hier Schiffszimmermann Hans Nüscke das Bürgerrecht von „Newen Warp“. Wenige Jahre später folgte diesem Hans ein Joachim Nüscke „von der Neuen Warpe“ und vermutlich waren die beiden Brüder. Seither lebte diese Familie in ununterbrochener Folge in Stettin. Es kamen aber auch andere Träger dieses Namens (meist Verwandte) nach Stettin und erwarben ebenfalls das Bürgerrecht. Sie kamen beispielsweise aus Wolgast (1727) Stepenitz (1750) Pölitz (1745) und Wollin (1744)
Die Geschichte des Schiffsbau erlebt seine Blüte mit dem Schiffszimmermeister Michael I. Der Nordamerikanische Freiheitskrieg (1775-1785) brachte den neutralen Staaten sehr lohnende Frachten und damit auch in Stettin Anregung zu Neubauten, teils für den eigenen Bedarf der Stettiner Reeder und Kaufherren, teils für den Verkauf. Ausser dem uralten Werftplatz hinter dem Schlachthaus, auf dem Michael Nüscke baute, benutzte man damals Bauplätze „hinten am Wall“ vor dem Parnitztor, auf dem Klappholzhof, vor dem Frauentor usw. Die Nachfrage nach Schiffen war so groß, dass man hohe Pachtsummen für einen Werftplatz zahlte und die Meister auch im Winter bauen ließen.
Die damals häufigsten Schiffstypen waren: Fregatten von 250-300, auch mehr Lasten (Zweidecker) dann die etwas kleineren Schnakschiffe, Gallioten, Galeassen und Yachten. Statt Ankerketten waren noch Taue aus Hanf im Gebrauch. Michael Nüscke II. führte den Betrieb seiner Vaters weiter. Nach einem vorübergehenden Rückgang konnte sich der Stettiner Schiffbau im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wieder kräftig entwickeln und die Schiffbauten hatten einen guten Ruf. Michael II. Nüscke brachte es zu großem Wohlstand und Ansehen. Durch seine zweite Ehe wurde er auch Besitzer des Hauses Nr. 23, das an Wert seinem eigenen ungefähr gleich einzustufen war. Er brachte es zu der Würde eines Altermannes der Schiffszimmerleute und hatte diese Vertrauensstellung noch 1814 inne. Er starb am 15. Mai 1826 in Stettin.
Sohn Michael III. führte nun als Werftbesitzer, Kapitän und Lotsenkommandeur die Geschäfte weiter. Aus seiner Ehe mit Anna Elisabeth Retzlaff stammte Albert Emil (1817-1891) Auch er blieb der Tradition der Familie treu und erlernte beim Bruder seines Vaters Johann Christian Nüscke das Schiffsbaugewerbe. Albert Emil war es, der die Dampfkanonenboote „Salamander und Schwalbe“ für die Admiralität baute. Er stand in hohem Ansehen, war viele Jahre Ratsmann und wurde zum städtischen Branddirektor und später zum Sachverständigen des See- und Handelsgerichts in Stettin ernannt. Aus seiner Ehe mit Marie Dürr stammten eine Tochter und Sohn Johann Michael Friedrich Nüscke, Kapitän auf großer Fahr und Nachfolger der välterlichen Werft.
In Einvernehmen mit seinem Vater gründete der Schiffsbaumeister aufgrund des am 28.6.1890 geschlossenen Sozitätsvertrages mit O.C. Peuß vom 1. Juli 1890 an, eine offene Handelsgesellschaft unter der Firmenbezeichnung: „Nüscke & Co. Dieser Vertrag lief zunächst auf 5 Jahre.
Es kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass in den 100 Jahren des Bestehens der Grabower Werft bis 1890 insgesamt 130-140 Schiffe gebaut wurden. Danach kam die Zeit der „Eisernen Schiffe“. Der erste Bau dieser Art erhielt die Nummer 71.
Quelle:
Altenburg, Otto: Geschichte der Firma Nüscke & CO : Schiffswerft, Kesselschmiede u. Maschinenbauanstalt Aktien-Gesellschaft Stettin : anlässlich ihres 100 jährigen Bestehens, Stettin, 1915