Nachruf in der Lokalzeitung „Der Oberhasler“ vom 15. November 1949
Unser allseitig verehrte Eugen Liesegang weilt nicht mehr unter uns. Seit letztem Jahr zeigten sich Leiden, die sich immer mehr verstärkten und nun am letzten Mittwoch seinem inhaltsreichen Leben ein Ende setzten. Eugen Liesegang war nicht nur in seinem Bekannten- und Wirkungskreise, nicht nur im Oberhasli – nein, über dessen Grenzen hinaus eine bekannte Persönlichkeit, der alt und jung die volle Hochachtung entgegen brachte. Für die Bevölkerung des Oberhasli war er eine Gestalt, die in das Bild passte und allgemein vermisst werden wird.
Geboren am 9. August 1875 in Düsseldorf, wo seine Eltern eine weltbekannte Fabrik für optische Apparate besaßen, wuchs der Knabe mit seinen Geschwister in froher Jugend auf. Sein Urgroßvater war Johann Christian Andreas Liesegang aus Berlin, siehe dessen Handwerksbrief. Einer seiner Brüder war der berühmte Wissenschaftler Raphael Liesegang. Der Schule entwachsen, verließ er zur weiteren Ausbildung das Elternhaus, vorerst in Bonn, dazwischen sich in England aufhaltend. Im Jahr 1896 kam der Verstorbene nach Bern, während eines Jahres Studien obzuliegen. Die dort geschlossenen Freundschaften dauerten lebenslang.
Ein Zeichen von seltener Treue und Anhänglichkeit. Wanderungen durch das Schweizerland führten ihn 1897 auch in das Oberhasli, das ihm ausnehmend gut gefiel und daraufhin der Entschluss reifte, hier dauernden Aufenthalt zu nehmen. Im gleichen Jahr, als 22-jährigen initiativen jungen Mann, wurde mit dem jungen Walter Günther von den Gebrüdern Boss in Grindelwald um Fr. 475000.- das Hotel Sauvagebesitzung angekauft.
Wie es nicht anders zu erwarten war, wurde das Hotel mustergültig geführt. Mit großer Vorliebe suchten die Engländer, so unter anderem. Papa Horsley mit seinem bekannten Bart und großen Hut mit seinen Gesellschaften das Hotel Sauvage auf. Auch hier wurde eine dauernde Freundschaft geschlossen, die sich auf den Sohn Horsley übertrug, der regelmäßig und so auch noch letzten Sommer dem Verstorbenen einen Besuch abstattete.
Im Frühjahr 1899 verheiratete sich der Heimgegangene mit der jungen energischen Witwe Perrot. Das junge Paar übernahm, nachdem der Anteil Sauvage Besitzung an Walter Günther überging, von der damaligen Landschaft pachtweise den Betrieb der ausgedehnten Grimselbesitzung. Das Pachtverhältnis dauerte drei Jahre und damit ging der Name „Spittler“ in die Geschichte ein. 1902 nämlich erfolgte die käufliche Erwerbung der Grimsel- und Handeckbesitzung von den Oberhasligemeinden, die die Landschaft bildeten. Das Ehepaar betrieb sie in weiterhin vorbildlicher Weise mit dem Grundsatz, nur das Beste ist gut genug für die einkehrenden Gäste.
Den Einheimischen, den Bergführern, wie auch den vielen Kutschern gegenüber wurde immer eine großzügige Gastfreundschaft geübt. Noch im Jahr 1947 erhielt der Verblichene von auswärts den Besuch eines einstigen nun 81 jährigen Kutschers, inbegriffen ehemaligen Gästen, wurde ihm nach Jahrzehnten Grüße und Besuche zuteil. 1909 trat für ihn eine Wendezeit ein. In diesem Jahr ging durch Verkauf die Grimsel und Handeckbesitzung an die Bernischen Kraftwerke über. Wohl weder der Verkäufer selbst noch die Käuferin sahen die gigantischen heute zum Teil bestehenden und zum Teil noch im Bau befindlichen und für die Wirtschaft viel bedeutenden Kraftwerke voraus.
Dem Verkauf dieses Grundbesitzes folgte die dauernde Niederlassung in Meiringen. Von diesem Zeitpunkt an widmete sich der Alt-Hotelier bis in die letzten Tage seines Erdendaseins in hervorragender Weise mit gemeinnützigen Fragen. Während vollen 27 Jahren sehen wir ihn dem Verkehrsverein als Präsidenten vorstehen. Unter seiner Initiative entstand das Haslimuseum, wurden die Kirchenausgrabungen ermöglicht, im Engelhorngebiet eine Steinbockkolonie errichtet, dabei wollen wir nicht die Durchführung der Grimselausstellung vergessen usw.
Seit mehr als 30 Jahren wirkte er als Präsident der Gotthelfstiftung, deren Gedeihen ihm immer sehr am Herzen lag. Über 32 Jahre hatte er als Präsident die Leitung der Amtsersparniskasse inne.
Mitwirkend in der Baukommission für das neue Krankenhaus, ab 1921 bis und mit 1935 als Direktionsmitglied und Verwalter und von 1941 bis heute als dessen Buchhalter. Trotz seiner schweren Krankheit ist die Buchhaltung auf den Tag, wie es ihm eigen war, zuverlässig, übereinstimmend, mit exakter Schönschrift nachgetragen. 1924 wählte ihn die Aareschlucht AG in ihre Verwaltung, deren Präsidium ihm 1930 übertragen und als solcher jeweils mit Akklamation bestätigt wurde.
Sein reiches Wissen und seine große Erfahrung im Verkehrswesen stellte er voll und ganz in das Interesse des Unternehmens. Auch die Trambahn zog ihn in den Verwaltungskreis und auf seinen Vorschlag wurde die Ausgabe eines kombinierten Billets, umfassend die Trambahn, die Aareschlucht und die Reichebachfallbahn beschlossen.
Ohne Rücksicht auf seine Krankheit betraute er in seiner exakten Art die übernommenen Obliegenheiten bis in seine letzten Tage. Vergessen sei aber auch sein Wirken und das Durchhalten für die Oberhasli Weberei nicht, wobei ihn seine Gattin tatkräftig unterstützte. Nicht nur wurden die Stoffe im üblichen Bilde von den Weberinnen verarbeitet, nein, im angepassten Stil entstanden mit seinen zeichnerischen Talenten neue Entwürfe, die dem Absatz der Haslistoffe neuen Auftrieb gaben.
Der kleine Pavillon auf seiner Liegenschaft zeugt noch von seiner einstmals betriebenen Bienenzucht. Als Praktiker und auch als Wissenschaftler interessierte ihn das Leben der Bienen überaus. Viele Jahre führte er für den Bienenverein die Honigkontrolle.
Während des ersten Weltkrieges (1916) wurde der Verstorbene mit der Gattin in das Bürgerrecht von Meiringen aufgenommen. Die Urkunde in künstlerischem Stil gehalten, wurde vom verstorbenen Litographen Andreas Brügger ausgeführt. Im Jahr 1947 ernannte ihn die Einwohnergemeinde Meiringen in Anbetracht seiner grossen Verdienste für die Allgemeinheit zu ihrem Ehrenbürger. (Eine andere Urkunde in künstlerischem Stil vom Urgroßvater Johann Christian Andreas Liesegang zu Berlin, stattdessen an dieser Stelle)
Schmerzvolle und schwere Zeiten blieben auch dem Heimgegangenen nicht erspart. Im Jahr 1943 verlor er seine umsichtige Gattin, deren Verlust ihm dauernd nahe ging. Der erste Weltkrieg brachte finanzielle Einbußen, doch nie kamen über seine Lippen Klagen, so auch nicht in seinen kranken Tagen. Eugen Liesegang war ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle.
Feinfühlig, gütig, treu, hochanständig in Gesinnung, nobel gegenüber Dritten, auch gegenüber Personen, die es gegenüber ihm nicht oder nicht immer waren. Überall, wo er als Präsident oder Mitglied mitwirkte, genoss er großes Ansehen.
Zielbewusst, überlegen und wohldurchdachte Initiative, feine künstlerische Begabung wie sein vornehmer Stil in Veröffentlichungen, Publikationen usw. waren Werte die eben nur ihm eigen waren. In Gesellschaft war der Verstorbene eine Frohnatur.
Wie oft wurden die Zuhörer mit seinen Anekdoten und Erlebnissen aus der Grimselzeit gefesselt. Wohl kein Hasler kannte sich in der Geschichte des Oberhasli so gut aus. Wie oft in all den Jahren suchte man bei ihm um Auskunft nach über historische und geschichtliche Begebenheiten aus dem Oberhasli. Ohne Ausnahmen konnten die Angaben gemacht werden.
Seine Niederlegungen über Haslifamilien, Sammlungen der Hasli-Familienwappen usw. haben ihm die zugebenden Auskünfte erleichtert. Der Verkehr mit ihm war ein geistiger Gewinn. Der Name Liesegang wird in Gedanken im Oberhasli fortbestehen und mit der Geschichte verankert bleiben. Eugen Liesegang ruhe sanft!
Nachwort:
Ehrenbürger der Gemeinde Meiringen, Wilhelm Eugen Liesegang-Perrot, geb. 1875, gest. 1949 von Düsseldorf herkommend im Jahr 1896. Mitbesitzer des „Hotels du Sauvage“ von 1899- 1902
1902 – 1909 Erwerb Grimsel-Handegg und Leitung der Betriebe bis Verkauf an BKW 1909. 27 Jahre Präsident Verkehrsverein, 30 Jahre Präsident Gotthelfstiftung. Mitglied und Präsident und Verwaltungsrat Aareschlucht AG, Präsident Amtsersparniskasse Oberhasli, 1916 Bürger von Meiringen, Fr. 300.- zu leisten an die Armenkasse der Burgergemeinde Meiringen.
Ernannt zum Ehrenbürger: 27. Dezember 1947, Eugen Liesegang wurde als zweiter von bis heute insgesamt fünf Ehrenbürgern ernannt. Heirat im Frühjahr 1899 mit Witwe Perrot, Tochter des vormaligen Grimselwirt Nägeli. Die Ehe blieb ohne Kinder. In Meiringen steht das sogenannte „Liesegang Haus“ das gemäß Bauinventar als besonders erhaltenswert eingestuft ist.