In jeder großen historischen Bewegung hat der Adel eine wichtige Rolle gespielt; im allgemeinen war es diejenige eines hartnäckigen und zum Scheitern verurteilten Gegners aller progressiven Kräfte, auf die die Historiker ihre Aufmerksamkeit gerichtet haben – eines Gegners der Monarchien und ihrer Verwaltungsmechanismen, des Handels- und Wirtschaftsdenken, des aufsteigenden Bilderbürgertums, dessen Wertvorstellungen sich durchgesetzt hatten und das Entstehen einer modernen historischen Forschung erst ermöglichten.
Erbliche Machteliten, so könnte man den Begriff „Adel“ definieren, sind stets daran beteiligt gewesen, die europäische Vergangenheit zu gestalten. Das Schicksal verschiedener Adelsgeschlechter führte zu ihren Aufstieg und ihrem Niedergang, ihrer Machtausübung und deren allmählichen Verfall. Über die unmittelbare Vergangenheit gibt es eine Fülle von Quellen; in Bezug auf das Mittelalter oder die Renaissance sieht sich der Historiker dagegen mit Material konfrontiert – Genealogien oder Adelsbriefen – das sich als fragmentarisch, wenn nicht sogar bewusst irreführend erweist. Der Niedergang der Adelsmacht, die Umstände unter denen sich die Gesellschaft dem Einfluss der verschiedenen Formen des Adels in Westeuropa entzog, ist ein Thema in diesem Werk.
Trotz aller Unterschiede haben die Adelsformen in Westeuropa einige gemeinsame Züge. Ihr Unterscheidungsmerkmal ist eine total auffallende Anpassungs- und Überlebensfähigkeit über die Jahrhunderte hinweg. Ob in den Feudalstaaten des 11. und 12. Jahrhunderts, oder Aktivitäten im Venedig der Renaissance, oder im frühviktorianischen England war eines trotz aller Unterschiedlichkeiten ganz deutlich. In allen dreien war die Macht des Adels unbestreitbar:
Familien von hohem sozialen Rang hatten die politische Macht, der Rang wurde entweder durch Geburt übertragen oder konnte durch Bildung und allmählichen gesellschaftlichen Aufstieg erworben werden; und die enge Verbindung zwischen Rang und Macht wurde generell (wenn auch nicht widerspruchslos) von der Gesellschaft hingenommen. Deswegen wird Adelsmacht wohl auch mit Dekadenz und feudaler Anarchie assoziiert. Der Status Aristokratie wird mit Begriffen aus dem Bereich der Nobilität“ definiert, als Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Beim Versuch einer genaueren Bestimmung assoziiert man „Aristokratie“ mit Autorität und Führungsanspruch; nicht jedoch mit dem Begriff „Nobilität“. Familien mit einem makellosen adligen Stammbaum waren häufig völlig verarmt und ohne jeglichen Einfluss auf das öffentliche Leben…..
Die von mir gewählte Überschrift stammt von dem Politologen Pareto und wirkt auf den ersten Blick vielleicht irreführend, trifft aber den Nerv! Es stammt aus dem hier vorgestellten Buch von Jonathan Powis und trägt den Titel „Der Adel“ übersetzt von Valeska und Klaus Lindemann, Ferdinand Schöningh: Paderborn; München u.a. 1986. Es wird von der Bayrischen Staatsbibliothek als Download angeboten. (Titel der Originalausgabe: Aristocracy)