Das Gästeheim Jägerhöhe unweit des Führerhauptquartiers Wolfsschanze

JH imageFast 70 Jahre danach und unzählig geschriebene Bücher, die sich bereits mit dem NS-Regime beschäftigten, eine Fülle von Neuerscheinungen und alle bekannten Quellen, Briefe und Dokumente scheinen bereits ausgewertet zu sein, oder etwa doch nicht?

Vor ein paar Jahren kam auf ungewöhnliche Weise durch unsere Familie Liesegang ein Zeitdokument in meine Hände, wie es einmaliger nicht sein kann!

Vielleicht lebt noch der eine oder andere und mag sich daran erinnern, auch eine Widmung als Erinnerung geschrieben zu haben. Mit welchen Gefühlen und Gedanken diese Erinnerungen wohl begleitet sein mögen?!

Bei diesem Dokument handelt es sich um das Gästebuch des Gasthofs oder Gästeheims „Jägerhöhe“. Es dokumentiert einerseits eindrucksvoll wer als Urlaubsgast in jener Zeit dort weilte, es beweist die Einquartierung des Mitarbeiterstabes des als eitel geltenden Joachim von Ribbentrop während des 2. Weltkrieges und es dokumentiert die Besuche hochrangiger Diplomaten und Heeresführer aller Nationen. Konspirative Treffen faschistischer Verbündeter, oder Betriebsausflüge? Ich mag an Letzteres nicht so recht glauben..

© Margit Rambow

Jägerhöhe war seit 1936 ein Sporthotel, ausgebaut anlässlich der Winterolympiade am Schwenzaitsee im Jägerwäldchen und auf halber Strecke zwischen Angerburg und Ogonken. Schon seit 1927 besaß das Waldhaus Jägerhöhe mit seinem Restaurant und Fremdenzimmern einen überregionalen Ruf besonders was seine Küche betraf, das zeigen die vielfachen Eintragungen im Gästebuch welches mit dem Datum 8. Juli 1930 beginnt. [1]

Das unweit gelegene Führerhauptquartier die „Wolfsschanze“ war nicht nur die höchste politische und militärische Instanz des Dritten Reiches, es bildete zugleich das Zentrum in einem Netz von umliegenden Befehlsstellen, die Macht- und Kriegsführungszentrale des NS-Staates. [1]

Die Anlage war nach rein funktionalen Aspekten erfolgt und sollte einer betont spartanischen Lebensweise entsprechen. Hitler, der in seiner Reichstagsrede nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 verkündet hatte, er würde den „grauen Rock“ erst nach dem Sieg wieder ausziehen, wollte im Hinblick auf eine spätere Heldengeschichtsschreibung ein demonstrativ asketisches Soldatenleben führen. [1]

Dem entsprach die Schlichtheit der Baracken und Bunker der Machtzentrale aus Beton. Die Wolfsschanze war von einem Schutzgürtel aus mehreren Stacheldrahtzäunen mit einer Tiefe von etwa fünf Metern sowie davor ausgelegten Stacheldrahtrollen und Panzergräben auf einer Breite von 50 Metern und einer Länge von acht Kilometern umschlossen.[1]

© Margit Rambow

Ich will an dieser Stelle nicht auf jeden Eintrag eingehen und so zeige ich nur ein paar wenige Blätter dieses Gästebuchs aus den Jahren 1936 bis 1943. Die letzte Eintrag des Gästebuchs ist datiert vom 17.9.1944. Links zu sehen ist die Widmung von Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, der sich 1942 eingetragen hat.

Am 13. Mai 1945 wurde Keitel von den Alliierten festgenommen und nach Nürnberg überstellt. Zusammen mit dreiundzwanzig anderen wurde ihm ein Prozess gemacht. In allen vier Anklagepunkte wurde er für schuldig erklärt: Verschwörung zur Planung eines Angriffskrieges, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Laut der Anklage war er für die Verstrickung der Wehrmacht als Institution in die verbrecherischen Aktionen des NS-Regimes besonders verantwortlich. Das Todesurteil wurde am 16. Oktober 1946 vollstreckt.

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1935 hielt Himmler vor der SS eine antisemitische Hetzrede, die vermutlich im Wesentlichen mit der Schrift Der Untermensch identisch ist. Darin werden die Juden und die Kommunisten als brutal und minderwertig, als sogenannte „Untermenschen“, die noch unter den Tieren stehen, charakterisiert.

Himmler war an der Ermordung der europäischen Juden maßgeblich beteiligt. Der Gästebucheintrag Himmlers datiert ebenfalls aus dem Jahre 1935. Schon 1939 erhielt er in Polen als Kommissar für die Festigung deutschen Volkstums Sondervollmachten, die polnische Intelligenz und die polnischen Juden zu bekämpfen, was durch Ermordung, Ghettoisierung und Aushungerung bewerkstelligt wurde.

Im Gegensatz zu Hitler hat Himmler immer wieder die Tatorte der nationalsozialistischen Gräueltaten besucht und inspiziert, wobei er auch Zuschauer bei Massenvernichtungsaktionen wurde. Er besuchte die Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Sobibor und war bei den Einsatzgruppen in Polen

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Bei einer Massenerschießung bei der Einsatzgruppe Bach-Zelewski soll er sich erbrochen haben, worauf er den Befehl gab, Frauen und Kinder nur noch in Gaswagen ermorden zu lassen. Seine Sorge galt dabei nicht „humanen“ Beweggründen, sondern ausschließlich einer „hygienischeren“ Form des Massenmords. [2] Dass es sich um seine Unterschrift im vorliegenden Gästebuch handelt beweist das hier gezeigte Dokument vom 24. Oktober 1939

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Einem Unikat gleichzusetzen ist die Eintragung von Paul Koralus *1892 in Widminnen Ostpreußen, Schüler unter Cauer und bekannt geworden als Bildhauer, hier bei seinem Besuch 1936 in der Jägerhöhe.

Die nachfolgenden 5 Abbildungen stammen aus dem Zeitraum zwischen September 1937 und 1938, leider fehlt das Datum. Zu Gast in der Jägerhöhe waren unter anderem alle Rundfunkintendanten der Reichssender etc. Unter ihnen Ernst Himmler *1905 (Bruder des obigen Heinrich Himmler, Reichsführer SS)

Zu seinem Aufgabenbereich gehörte die Übertragung von Großereignissen im Rundfunk. Ernst Himmler Tod konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Man nimmt aber an, dass er Selbstmord beging. Er hatte vom Aufstieg seines Bruder profitiert und war ideologisch mit ihm total auf einer Linie.

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Der Zweite Weltkrieg forderte zirka 55 bis 60 Millionen Menschenleben. Er war durch eine starke Ideologisierung, häufig mit rassistischen Zügen geprägt, die zu zahlreichen Kriegsverbrechen und gewaltsamen, zumeist systematischen Übergriffen auf Zivilbevölkerung oder Kriegsgefangene führte.

Mit dem nationalsozialistischen Kriegsziel des Lebensraumgewinns und dem Konzept von Blut und Boden war auch untrennbar der Holocaust verbunden, dem durch die Nationalsozialisten allein sechs Millionen Juden und vier Millionen Angehörige anderer systematisch ausgegrenzter und ausgebeuteter Gruppen zum Opfer fielen. Die Grenzen in Mittel- und Osteuropa, im Nahen Osten und anderen Regionen wurden neu gezogen. [3]

Bevor Hitler den Krieg erklärte weilten die nachfolgenden Personen im Jägerhof. Ich gebe zu, dass ich geschichtlich nicht über die erforderlichen Detail-Kenntnisse verfüge. Aber ich hoffe sehr, dass vielleicht der eine oder andere Aspekt neu betrachtet wird.

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Vielfache individuelle Umwälzungen verursachte der Zweite Weltkrieg durch eine millionenfache Entwurzlung in Form von Emigration, Kriegsflüchtlingen und Vertreibung von ansässigen Bevölkerungsschichten. Dass die Zivilbevölkerung im Vergleich zum Ersten Weltkrieg noch stärker von den Kampfhandlungen direkt betroffen war, lag einerseits am bis dahin unbekannten Entwicklungsstand der Flugzeug-und Rüstungsindustrie, andererseits an der billigenden Inkaufnahme ziviler Opfer durch die Terror-Strategien, in deren Kontext die Kriegsteilnehmer neue Waffen oftmals einsetzten. Sie ermöglichte die großflächige Bombardierung ganzer Wohngebiete in Europa und Asien. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildeten die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Den Schlusspunkt der Kampfhandlungen setzte am 2. September 1945 die Kapitulation Japans, die den vollständigen Niederlagen Italiens (1943) und Deutschlands (8. Mai 1945) folgte, womit die Alliierten ihr wichtigstes Kriegsziel erreichten. [3]

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Da der Zweite Weltkrieg von Deutschland größtenteils aus ideologischen Gründen geführt wurde, ereigneten sich in dessen Verlauf zahlreiche Kriegsverbrechen, die sich gegen Juden, Sinti und Roma und insbesondere gegen die als „Untermenschen“ betrachteten Osteuropäer richteten, z. B. die Leningrader Blockade mit über einer Million Opfern. [3]

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Quellen und Literatur

[1] Uwe Neumann, Robert Conrad, Cord Woywodt in: Wolfsschanze, Hitlers Machtzentrale im Zweiten Weltkrieg, Christoph Links Verlag 1999, Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Seite 47-49
[2] Heinrich Himmler in Wikipedia
[3]Der 2. Weltkrieg im Wikipedia
Spurensuche in der Familie Himmler
Gästebuch Waldhaus Jägerhöhe von 1930-1944, © www.rambow.de
(Propagandaschrift) Hoffmann, Heinrich: Hitler in Polen, mit einem Geleitwort von Generaloberst Keitel, Berlin: Zeitgeschicht-Verlag, 1939
Eichler, Max: Du bist sofort im Bilde : lebendig anschauliches Reichsbürger-Handbuch, Erfurt: Cramer 1940
Artikel: Holocaust Gedenktag