Studien zum genealogischen Wissen im Mittelalter

Zunächst und vor allem präsentieren Genealogien Antworten auf die Fragen nach der Stellung des einzelnen innerhalb der Gemeinschaft, denn besonders in sogenannten traditionalen Gesellschaften ist die Identität des einzelnen in ganz erheblichem Maße durch sein Wissen um seine Eltern und Vorfahren, durch seine Einbindung in Familie und Verwandtschaft bestimmt:

Wie der Name garantiert seine Herkunft die Unverwechselbarkeit des Menschen. Qua Genealogie lässt sich die Vielheit der Welt und des Daseins über die Vorstellung einer Kette von Zeugungen auf die Einheit eines in aller Regel göttlich gedachten Ursprungs zurückführen. Bilden diese personalen Beziehungen von Familie und Verwandtschaft auch den semantischen Kern der Genealogie, so organisieren ihre Prinzipien doch verschiedene, nach unseren neuzeitlichen Klassifikationskriterien nicht unbedingt nahe aneinander liegende mittelalterliche Wissensgebiete, denn als genealogisch strukturiert erweisen sich nicht nur die vielen Darstellungen von der Entstehung und Entwicklung von Familien, insbesondere von Königs- und Adelsgeschlechtern, sondern auch zahlreiche weitere Phänomenfelder.

Aus dem Inhalt:

Familie und Verwandtschaft als Modell der Bildung sozialer Gruppen im Mittelalter, Übertragungen des genealogischen Prinzips auf weitere Phänomenfelder, Biblische Genealogien als Rahmen der verschiedenen genealogischen Geschichten und Darstellungsformen, Genealogie und Anthropologie, Geschichten von Aeneas und den Aeneaden, Herkunft aus Troja, Unterwelt und Geschlechtsregister, die Welfen, Vielfalt der genealogischen Zeugnisse, Burchard von Ursberg, Otto IV., Cronica ducum de Brunswick, Gründung des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg, Melusinentexte,

Quelle:

Kellner, Beate: Ursprung und Kontinuität : Studien zum genealogischen Wissen im Mittelalter, aus dem Digi20-Projekt, Digitalisierung der DFG-Sondersammelgebiete, München: Wilhelm Fink Verlag, 2004 (als Download verfügbar)