Genealogische Unrichtigkeiten und Unstimmigkeiten

Ludwig der fromme e1278578651376Was hat sich doch alles grundlegend geändert seit Geschichte noch auf der Schulbank gelehrt wurde. Sage und Dichtung, Wahrheit und Lüge: verschleierte Bilder der Geschichte gegenüber profaner Enthüllung.

Was als unbestrittene Wirklichkeit bleibt, wird in unseren heutigen Büchern in demselben Ton wiedergegeben, wie Leitartikel in politischen Tageszeitungen.

Hält man in der Geschichte der einzelnen Regenten und Dynastien verschiedener Zeiten und Länder Umschau, so gelangt man zu der Überzeugung, dass uns selbst die heutigen Lehrer und Bücher nicht annähernd alles so richtig und unanfechtbar überliefern, wie es zu erwarten wäre.

Seit dem Bestehen der geschichtlichen Literatur ist es Sitte, die Geschicke der Menschheit an die Namen der jeweiligen Machthaber zu knüpfen. Deshalb hier der Versuch, aus der Unzahl von Irrtürmern und Unrichtigkeiten Beispiele aufzuzeigen:

Die Deutschen Kaiser und Könige:

Einige nennen den letzten deutschen Kaiser des Namens Ludwig als den III. dieses Namens; gewöhnlich treffen wir ihn aber als den IV. an. Manche halten ihn für den V. und schlussendlich könnte man ihn sogar den VI. nennen.

Wir kennen folgende deutsche Kaiser und Könige mit dem Namen Ludwig:

  1. Ludwig I. der Fromme geboren 778, Sohn und Nachfolger Karls des Großen, Kaiser 28. Oktober 816, gestorben 20. Juni 840
  2. Ludwig II. ein Enkel der Vorgenannten, Sohn des Kaisers Lothar I., geboren 825, Kaiser 6. April 850, gestorben 12. August 875
  3. Ludwig der Deutsche, Sohn Ludwigs des Frommen, geboren um 804, König von Ostfranken 843, gestorben 28. August 876
  4. Ludwig der Jüngere, Sohn des Vorhergehenden, erhielt Thüringen, Sachsen, Franken, nordslawische Länder, das östliche Lothringen und zuletzt Bayern. Er starb 20. Januar 882
  5. Ludwig der Blinde, Sohn des Boso, König vom cisjuranischen Burgund, geboren 877, in Rom zum Kaiser gekrönt am 6. Februar 901, gefangen genommen, geblendet und zurückgesendet 905. Er starb nach 924
  6. Ludwig das Kind (III.) Sohn des Kaisers Arnulf, geboren 893. Auf dem Reichstage zu Forchheim zum König von Deutschland gewählt und gekrönt im Jahre 900. Er starb am 24. September 911
  7. Ludwig der Baier, geboren 1. April 1282, wurde am 25. November zum Deutschen König gekrönt, zum Kaiser am 17. Januar 1328. Er starb am 11. Oktober 1347

Als Kaiser und Könige von Deutschland dürfen wir unter diesen 7 Personen mit dem Namen Ludwig nur jene anerkennen, deren unmittelbare Herrschaft sich über sämtliche Länder „deutscher Zunge“ erstreckt hat. Somit müssen Ludwig der Deutsche (3) und sein Sohn Ludwig der Jüngere (4) ausser Betracht bleiben. Beide waren nur Königer „einiger“ deutscher Länder, doch erstreckte sich weder ihre unmittelbare Souveränität noch ihre Oberherrschaft über ganz Deutschland.

Ludwig der Blinde wurde 899 von der spoletanischen Partei zur Übernahme der Krone Italiens gerufen und 901 von Papst Benedikt IV. zum Kaiser gekrönt. Faktisch war er niemals Kaiser von Deutschland und so kann man ihn im besten Fall lediglich als Gegenkaiser oder Gegenkönig betrachten.

Ganz anders verhält es sich um Ludwig dem Kinde (6) dieser wurde zum König des gesamten Deutschlands gewählt und gekrönt und hatte 908 den Kaisertitel angenommen. Zudem war er faktischer Herrscher Deutschlands. Er muss also als Ludwig III. gezählt werden. Somit bleiben folgende Kaiser (Könige) übrig:

1. Ludwig I. der Fromme + 840
2. Ludwig II. des Vorherigen Enkel + 875
3. Ludwig III. das Kind + 911
4. Ludwig IV. der Bayer + 1347

Ist man besonders liberal könnte allenfalls Ludwig der Blinde als der III. eingerechnet werden, in dem Fall wäre Ludwig das Kind als IV. anzusehen.

In Frankreich nennt man allgemein 10 Könige mit dem Namen Karl, auch das ist falsch, denn in Frankreich hat es 11 Könige mit dem Namen Karl gegeben. In England wird der letzte der den Namen Eduard führte als der 6. seines Namens bezeichnet, in Wirklichkeit aber gab es deren neun. In Polen gibt es Unregelmäßigkeiten in der Bezeichnung der Herrscher mit dem Namen Wladislaw. Einige nennen den letzten Wladislaw aus dem Hause Wasa den IV. andere den VII. seines Namens. Im Byzantinischen Kaiserreich ist es vor allem die Reihe der Kaiser mit dem Namen Konstantin die Durcheinander erzeugt. In Spanien ist es der Königsname Alfons der reichlich Stoff für Unrichtigkeiten bietet. Das gleiche Spiel in Dänemark, auch hier gibt es Unregelmäßigkeiten mit den Königen des Landes, die Erich hießen. Erich der Pommer wird von vielen als Erich IX. bezeichnet, richtig aber ist Erich VII. Und so geht es weiter,  für jedes Land und für jedes Herrscherhaus bleiben große Unstimmigkeiten, aber wer will und kann für sich beanspruchen im Recht zu sein?

Literatur:

Vierteljahrsschrift für Heraldik, Sphragistik und Genealogie,  herausgegeben vom Verein Herold in Berlin, XI. Jahrgang, 1887, Seite 339-392

Webseite:

Genealogie des Mittelalters