Vom Salzaer Zimmermann zum Architekt

Es ist eine jener unglaublichen Geschichten, die das Leben manchmal so schreiben kann. Robert Otto, ein Zimmermann aus Salza, zog einst aus, um dann Prachtbauten für Opel, Ford und Volkswagen zu errichten. Eine Biographie – vorgestellt von Steffen Iffland…

Im Jahre 1903 erwarb der Konsumverein im heutigen Nordhäuser Stadtteil Salza ein Grundstück (Hauptstr. 119) und richtete im Wohnhaus einen Verkaufsstelle ein. Wenige Zeit später übernahm der Kaufmann Robert Otto senior aus Bad Lauterberg die Konsum-Verkaufstelle.

Die Familie zog von Bad Lauterberg nach Salza und bezog mit ihren beiden Söhnen eine Wohnung in der oberen Etage des Beckers Etzrodt in der heutigen Herrederstr. 3 (früher Weststr. 8). Beide Söhne wurden in Bad Lauterberg geboren. Gustav am 23. April 1898 und Robert jun. am 2.Mai 1902. Die Eltern lebten sich gut in Salza ein und nahmen auch gesellschaftlich Anteil.

Frau Elisabeth Otto geb. Ludewig engagierte sich neben Familie und Geschäft im „Vaterländischen Frauenverein“, Kreis Grafschaft Hohenstein, Zweigverein Salza. Sie war lange Vorsitzende des Vereins und erhielt die Ehrenurkunde des Roten Deutsche

1280 58696 0105 82948592
Otto (Foto: Archiv Iffland)

n Kreuzes am 12. Juni 1934 in Salza. Die Söhne besuchten nach der Grundschule in Salza das „Königliche Realgymnasium in Nordhausen“ wo Robert Otto jun. am 15. Juni 1920 seinen Abschluss machte.

Noch vor Schulabschluß unterschrieb der Vater den Lehrvertrag für die Dauer von drei Jahren für seinen Sohn Robert bei der Firma „Otto Schulze“, Zimmermeister in Salza. Seine Gesellenprüfung legte er am 01. Oktober 1922 in Erfurt bei der Handwerkskammer ab. Gleich darauf, bereits im Winter-Halbjahr 1921/22, begann Robert Otto sein Studiums an der Preußischen Baugewerkschule zu Erfurt. Später erfolgte der Wechsel an die Braunschweigische Landesgewerkschule Holzminden unter Leitung von Professor Klopfer. Im Winter 1925 besteht er sein Ingenieur-Examen mit „gut“. Ein halbes Jahr später – im Sommer 1926 – schließt er das Hochbauexamen ebenfalls mit „gut“ ab.

Das Studium verdiente er sich bei verschiedenen Firmen als Zimmerer z.B. in Bozen, Dortmund-Wickede und als Hochbautechniker bei der Firma Otto Schulze, Salza. (aus März 1922 ist eine Lohntüte vorhanden, dass für 44 Stunden à 15 Mark abzüglich Altersversicherung, Krankenkasse und Steuer 591,20 Mark ausgezahlt wurden). In seinem Nachlaß befindet sich auch ein Foto vom Bau der Schürzenfabrik Becker in der Bahnhofstraße Ecke Arnoldstraße aus dem Jahre 1926, wo er vermutlich auch beim Bau beteiligt war.

Von einem Studienkollegen erhielt er die bereits gebuchte Passage nach New York, da dieser wegen „der großen Liebe

“ nicht mehr fahren wollte. Die Abreise in die USA erfolgt am 16. September 1926 mit dem Schiff. Die erste Zeit in den Staaten war sehr hart. Jede Arbeit wurde angenommen, ausschließlich auf Baustellen.

1927 fängt er in Chicago bei Firma „Wernecke Construction Company“, als Zimmermann an und baut Kirchturmdächer, Ölfördertürme und Hochhäuser und wird Gruppenleiter für Architektur und Konstruktion.

Dann wechselt er zur Firma „Roberts und Schaefer Company“ als Ingenieur für Entwurf Stahlbau und plant mit für das damals größte Automobilwerk Ford, das auch als erstes die Bandproduktion einführt. Am 16. Dezember 1933 kehrte R. Otto endgültig mit der MS Bremen aus Amerika zurück.

Er fängt in Deutschland bei seinem zukünftigen Schwiegervater „Fritz Rohde“, in der Zimmerei als Geschäftsführer an. 1934 wechselt er nach Magdeburg in das Architekturbüro „Paul Schäffer-Heyroths-Berge“ und baut Werkstätten für die „Adam Opel AG“ in Magdeburg und Brandenburg.
1938 fängt er bei den Opelwerken, Rüsselsheim, als Bauleiter und Architekt an. Am 29. Oktober 1938 heiratet Robert Otto seine Verlobte Melanie Rohde, die er bereits während seines Studiums in Holzminden kennengelernt hatte. Vom 01. Dezember 1939 bis 31. März 1940 ist er für die „Gerhard Fiseler-Werke“ in Kassel als Leiter Abteilung „Werkserhaltung“ und später als Leiter der Bauabteilung tätig.

Am 01. August 1940 fängt er bei Volkswagen in der „Stadt des KdF-Wagens“ (jetzt Wolfsburg) als Leiter der Gebäude-Instandhaltung an. Den Tip für diese Position erhielt er von seinem Bruder Gustav. Die Korrespondenz der Bewerbung und Einstellung lief teilweise über die Adresse Gustav Otto, Reichenbach bei Gera/Thüringen, der dort Direktor der „Porzellanfabrik Carl Carstens“ war.

Auf Beschluss der Geschäftsführung des Volkswagenwerkes vom 20. Mai 1942 unter Leitung Prof. Dr. Porsche, wird Robert Otto die Leitung des gesamten Baubüros übertragen. Im Volkswagenwerk wurden die aus dem KdF-Wagen entwickelten Kübelwagen produziert. 1944 wurden durch mehrere Tagesluftangriffe zwei Drittel des Werkes zerstört. Nach Kriegsende wird die Arbeit im Mai 1945 wiederaufgenommen.

Die Briten als Besatzungsmacht forderten eine Aufstellung über das erforderliche Material zur Reparatur des Werkes. Diese Aufstellung der Bauabteilung beinhaltet unter anderem 14.000 cbm Kantholz. (Diese Tabelle ist noch vorhanden)

Schon 1946 wurden 1.020 Volkswagen produziert. Damit begann der Siegeszug von Volkswagen. Die Bauabteilung war zuständig für die neuen Werke in Braunschweig, Hannover, Kassel Emden, Salzgitter und Brasilien. Im Juni 1950 zieht Robert Otto mit seiner Frau von Wolfsburg in sein eigenes Heim Fallersleben. Am 28.Januar 1953 wird er Geschäftsführer der VW Wohnungsbau.

Am 1. Januar 1961 erhält er die „Prokura“ (Generalvollmacht) der VW AG und am 10. Januar 1963 wird er außerdem Geschäftsführer der VW Siedlungsgesellschaft. Neben den Fabrikbauten war er Architekt der St. Bernward-Kirche in Wolfsburg, welche 1964 im Burg ähnlichen Stil erbaut wurde. Außer zahlreichen Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften erhält er am 20. Dezember 1967 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. In seiner Freizeit betrieb er Segelsport und erwarb u.a. den Sportseeschifferschein.

Sein großes Hobby war im Ruhestand das Funken. Die Amateurfunklizenz erhielt er am 8. August 1969. Die zahlreichen Bücher seiner umfangreichen Bibliothek über Salza, Nordhausen, Benneckenstein und dem Harz belegen die Verbundenheit zu seiner Heimat. Zum 1. August 1968 scheidet er aus den Diensten der VW AG und erhält einen Beratungsvertrag bis zum 31. Dezember 1969. Am 9. März 1986 verstarb Robert Otto im Alter von 84 Jahren.

Ein besonderer Dank gilt Helmut Otto für die zahlreichen Informationen und Bilder zu seinem Onkel Robert, die mir frei zur Verfügung gestellt wurden  (Autor: Steffen Iffland)

nnz-Buchtipp: Nordhäuser Persönlichkeiten in elf Jahrhunderten im Buchhaus Rose./Die Fotos sind urheberrechtlich geschützt (nnz)